MICHEL FRIEDMAN CORONA-SPEZIAL: Soziologe Armin Nassehi zu FREIHEIT in der Covid-19-Krise

Von WELT Nachrichtensender
Veröffentlicht am 04.04.2020


[Musik]
jetzt bei michel friedman thema
gesellschaft armina sie leitet das
institut für soziologie an der ludwig
maximilians universität münchen
ihn beschäftigt unter anderem die frage
wie lange wir in der krise solidarisch
bleiben
er sagt einen teil der bevölkerung zu
opfern damit andere überleben ist
moralisch inakzeptabel
dass sie gehören in der phase 1 der
korona krise das vertrauen auf die
vernunft auf die ansicht der menschen
ihr verhalten zu verändern das ergebnis
nicht branchen phase 2 viele leute
wollten plötzlich verbote und der staat
hat darauf reagiert sie sagten auf
einmal sind verbote sexy warum ist das
das ist natürlich ein ironischer satz
natürlich sind verbote nicht sexy aber
das verhalten der menschen hat ja
geradezu ja wie soll man sagen darum
geworben dass es staatliche verbote gibt
es ist schon erstaunlich dass doch die
drastik dieser dieser krise die man ja
aus bildern aus china und italien vorher
auch canon konnte sich im verhalten der
leute wenig niedergeschlagen hat und man
tatsächlich staatliche zentralgewalt
kann man fast an das nicht sagen braucht
um das verhalten der menschen zu ändern
wobei der soziologe in mir darf sich
darüber natürlich nicht wundern wir
wissen es gibt kaum etwas was schwerer
zu ändern ist als verhaltensmuster das
kennen wir alle
sowohl aus dem privaten leben als auch
aus gesellschaftlichen strukturen
insofern ist da etwas geschehen was
leider gottes auch erwartbar ist also
wenn das verhalten das wusste er danach
orientiert ist das autoritäre zu suchen
dann war ja dass das hier so in der
freiheitsrechte diskutiert haben wir
kommen aus einer gesellschaft die betont
hat in den letzten jahren die
individuellen freiheitsrechte sind
wichtig wir wollen die möglichkeiten der
enthaltung der staat soll sich
heraushalten war die devise
und jetzt reagiert regiert das stark
durch und keiner guckt auf also was ist
das grundmuster wie erklären sie sich
das also eigentlich ist das doch das
zentrale muster des westlichen denkens
wenn man so will wir sind wer wir sind
an liberalität an freiheit gewöhnt an
selbstbestimmung und autonomie
wir wissen aber ganz genau dass freiheit
und selbstbestimmung nur möglich ist
wenn wir uns selber an bestimmte der man
könnte sagen standards und regeln halten
jeder der kinder hat weiß was das
bedeutet wir lassen unsere kinder erst
alleine aus dem haus wenn wir wissen
dass sie ihre freiheit so weit
einschränken nicht selber auf die straße
zu rennen und das heißt zur freiheit
gehört immer so etwas wie eine form von
ich will um gottes willen jetzt nicht
disziplin sagen aber
zumindest eine bestimmte form der
vernünftigen selbst einschränkung und
wenn das nicht da ist dann muss man ganz
offenbar mit pädagogischen mitteln
rangehen und zur zeit sehen wir dass der
staat diese mittel anwenden muss es wird
zu recht auch kritisiert natürlich dass
so etwas wie ein eingriff in die
freiheitsrechte passiert aber er scheint
im moment tatsächlich nötig zu sein
für mich selbst ist das gerade zu einer
demütigung weil wir dann offenbar doch
wenn wir einander über andere konflikte
reden nicht so sehr auf die
eigenverantwortung der menschen setzen
können als das eigentlich wünschenswert
wäre
und als das eigentlich die denkungsart
sozusagen das ich mache jetzt mal ganz
groß des westlichen denkens mit dem
autonomen individuum das selbst über das
entscheidet worum es geht vertrauen
können also anrede nochmal weise ist
gerade angesprochen haben über pädagogik
über erziehung über selbsterziehung wir
hatten ja phase die wir glaubten
überwunden zu haben auch in der ziehung
nämlich dass autoritäre die autorität
die einfach ein ausrufezeichen setzt und
trotzdem diese sehnsucht über die wir
reden der staat hat autorität dadurch
auch ist der staat in der lage
autoritäre mit seinen bürgern und
bürgerinnen umzugehen
wie lange lässt sich denn eine
gesellschaft die trotzdem auch auf der
anderen seite suggeriert und sich selbst
ein redet sie sei der freiheit zugewandt
wie lange lässt eine gesellschaft das zu
oder ist das die große gefahr die beiden
ländern wie ungarn sehen dass das was
wir freiheits sehnsüchte haben sehr
schnell auch hinten anstehen kann also
ungarn ist ein gutes beispiel dort
werden natürlich die dinge die man auch
gerne ohne corona krise gemacht hätte
das grenzt ja geradezu an
selbstermächtigung der staatsführer des
staatsführers umgesetzt also ich denke
dass wir zurzeit in einer situation sind
in der wir noch eine große zustimmung zu
den geschichten haben es gibt einiges an
empirischen untersuchungen dazu die
sagen dass die menschen noch dafür sind
wie lange das halten wird es wird nur so
lange halten wie man eine gewisse
einsicht die sich ja dann aufgrund der
staatlichen maßnahmen dann zeigt
aufrechterhalten kann ich weiß es eine
pathologische antwort aber man kann
wahrscheinlich
im moment ist nicht viel genauer sagen
ich glaube ja tatsächlich dass die frage
des staates oder andersrum vielleicht
dass wir uns illusionen darüber machen
ein staat hat immer macht er hat immer
eine staatsgewalt der ist immer
sozusagen aufmacht basiert und muss am
ende eine ordnung durchsetzen ob uns das
passt oder nicht so ein bisschen wie im
religiösen bereich wo wir gerne nur noch
über den lieben gott reden aber
denjenigen der uns dazu zwingt womöglich
etwas zu tun um als relevant das
richtige zu tun
den haben wir längst abgeschafft und das
ist keine legitimation von gewalt was
ich hier versuche zu sagen sondern
leider gottes eine struktur die durchaus
etwas mit der ordnung zu tun hat in der
wir leben freiheit ich wiederhole meinen
satz ist eigentlich nur möglich wenn wir
uns angemessen innerhalb dieser
freiheitsrechte verhalten
lassen sie doch mal das diesen gedanken
vertiefen würdest präsident frank walter
steinmeier sagte ich zitiere wir haben
es in der hand ob solidarität nach innen
und außen die oberhand gewinnt oder aber
der egoismus dass jeder für sich nur
befinden wir uns gerade ich glaube wir
befinden uns gerade noch in der
situation in der die zustimmungsraten
für die geschichten steigen werden ich
meine das verrückte ist ja dass niemand
genau weiß was jetzt tatsächlich kommt
die illusion zu glauben dass in zwei
wochen das normale leben wieder losgeht
das ist ja völlig naiv dass man muss
sich tatsächlich klar machen dass das
noch länger dauern wird wir befinden uns
im moment noch in dieser zustimmung
phase ich kann mir schwer vorstellen was
eigentlich passiert wenn diese
zustimmung kollektiv oder in großen
teilen der bevölkerung verschwindet wir
müssen sehen dass das alles große kosten
hat sowohl individuelle kosten als auch
strukturelle kosten für die gesellschaft
und da kommt es wahrscheinlich sehr
stark darauf an dass diese maßnahmen
legitimiert und erklärt werden und ich
glaube dass viele derjenigen die diese
entscheidungen treffen zurzeit einen
thron versuchen die dinge zu erklären
und nicht als willkür erscheinen zu
lassen das scheint mir im moment das
allerwichtigste zu sein
es geht hier nicht um die willkür eines
staates ich glaube in dieser phase wird
auch deutlich welche staaten eigentlich
zur liberalität in der lage sind und
welche nichts wir haben ungarn schon
gerade angesprochen
es werden vielleicht auch noch andere
beispiele deutlich werden wir können
sich auf einen gewissen fundus von
liberalität und solidarität wie der
bundespräsident das formuliert hat noch
zurückgreifen
trotzdem ich will jetzt ein bisschen
pfeffer in die wunde und salz in die
wunde streuen wir merken die leute
fangen irgendwie an nach wenigen tagen
access zu sprechen
die jungen leute sagen ja wir bringen ja
opfer aber die bringen weil in dem wir
unser normales leben leben werden eines
tages die alten und kranken das tut uns
furchtbar leid die sperren wir weiter
ein
er ist der alte wer ist die kranke
lassen sie sich einsperren das alles
basiert auf eine unterstellung nämlich
dass man 80 millionen menschen auch
soziologisch gesellschaftspolitisch in
den griff behalten kann
was ist das denn für eine vorstellung
und hatte irgendeine realität
naja ich meine wir alle suchen im moment
nach wie soll man sagen kontrolle über
die situation das gilt übrigens auch für
die virologen die selbst diese situation
nicht eindeutig kontrollieren können
also diese kontrollmechanismen und
kontroll fantasien die sind natürlich
welche die zum teil auch autoritäre
strukturen haben also die frage wie
jetzt müssen wir womöglich doch davon
ausgehen dass es gruppen gibt in der
gesellschaft die ohnehin in gefahr sind
also sperren wir jetzt die eigentlich
übertreibe jetzt das argument ein
bisschen das sind alles diskussionen die
unglaublich weh tun wir tun ja so als
würden solche diskussionen nicht sonst
auch geführt epidemiologische diskussion
gehen immer davon aus dass es so etwas
wie opfer aufgrund bestimmter
entscheidungen geben wird die ganze
sicherheitstechnik die
versicherungsmathematik und so weiter
zurzeit muss das eigentlich unter
einschluss der öffentlichkeit passieren
und da werden auch durchaus sehr
autoritäre und bisweilen sogar moralisch
völlig inakzeptablen fragen deutlich
also zu sagen wir müssen ein teil der
gesellschaft opfern damit einige dass
einige überleben können das wäre
moralisch völlig inakzeptabel aber dass
bei der nachdenken über exit-strategien
natürlich auch darüber nachgedacht
werden muss dass es sowas wie
risikoabschätzungen und dilemmata gibt
das ist leider der fall aber er bauen
wir nicht gerade
legenden auf die eines tages wieder zu
stigmatisierungen zu ausgrenzungen zu
minderheiten den verantwortung rüber
geschoben wird dann übersetzt werden
also wenn man das zu ende denkt dann
wird es eine gruppe geben und diese
gruppe wird uns sorgen machen
konditionsprobleme machen irgendwann ist
sie schuld daran dass wir nicht nur ein
einfaches schönes leben haben wie wir
das mal hatten
was passiert denn da gerade wenn man
aufpasst und gegensteuert in den
soziologischen teil bildern die
aufgebaut werden weil so wie sie die
frage stellen wird ja sehr deutlich dass
man sie eigentlich auch in anderen
konflikten die wir in der letzten zeit
gehabt haben stellen kann gesellschaften
versuchen eigentlich immer wenn sie so
etwas wie eine kontrolle übernehmen
wollen verantwortliche zu formulieren
sündenböcke zu formulieren zu glauben
dass man über jahre lösung von problemen
die zunächst mal gar keine sind die
probleme lösen zu können also man muss
keine große fantasie haben dann zu sagen
dass die sätze natürlich auch zu dem
passen was für die flüchtlingskrise
nennen oder zur ausgrenzung von
minderheiten und ähnlichem
das sind leider gottes mechanismen die
ihn immer in solchen krisensituationen
in solchen krisensituationen auftauchen
das virus selbst hat ja keine hautfarbe
das virus selbst ist gar nicht ethnisch
wie soll man sagen markiert wenn man so
will aber gesellschaften können sehr
schnell dann hingehen und sagen wir
machen die grenzen zu und die dinge
werden besser
wir sperren die alten und kranken ein
und kümmern uns nicht um sie und dann
wird alles besser
diese einfachen mechanismen man könnte
sagen diese einfachen geradezu
instinktiven reaktionen gegen die muss
man tatsächlich im moment arbeiten und
ich bin ehrlich gesagt ein bisschen bei
allem pessimismus auch optimistisch
gestimmt dass wir zumindest in einem
bereich der gesellschaft noch keine
einbußen haben nämlich dass diese dinge
öffentlich diskutiert werden können das
spricht zumindest noch für einen teil
unserer öffentlichkeit in der diese
dinge verhandelbar sind offen wir dass
es so bleibt
es gibt ja dann erzählungen um hoffnung
zu machen um solche stresssituationen
individuell wie gesellschaft
politisch zu minimieren eine ist es ist
gut wir entschleunigen und wir kommen
endlich zu dingen die wir bisher nicht
gehabt haben
also wir versuchen einer solchen
existenziellen krise irgendwie was gutes
abzuringen
wie sehen sie das mit der
entschleunigung dass man endlich jetzt
bücher lesen wird ist das eine legenden
erziehung erzählung ohne fundament oder
ist da was dran
naja für einzelne ist wahrscheinlich was
dran aber ich halte solche geschichten
die er zum teil sogar von soziologen
verbreitet werden was mich dann durchaus
wundert eigentlich für eine für eine
unglaubliche romantisierung dieser
geschichten dieser situation in der wir
sind zum teil manchmal eine eine
ohrfeige anderen gegenüber die
vielleicht nicht so wohlfeil sich
alleine in ihrer wohnung mit büchern und
ähnlichen beschäftigen können sondern
eine familie zu hause haben kinder zu
hause haben nicht raus können sich
sorgen um ihren arbeitsplatz machen die
ganze strukturen in der gesellschaft
verschwinden
das ist eine sehr privilegierte art mit
dieser mit dieser mit dieser krise
umzugehen
hinter den wohnungstüren passiert auch
noch etwas anderes dann besteht die
gefahr von die suizidraten werden
sicherlich steigen bei eher einsamen
menschen die gefahr häuslicher gewalt
wird sicherlich viel viel stärker werden
als wir das sonst kennen wir kennen das
wenn in familien keine exit strategien
da sind wenn es konflikte gibt dann
werden solche dinge steigen also
familienkonflikte die da sind werden
dort sicherlich sicherlich verstärkt und
man isst man könnte eher romantisch
sagen jetzt haben wir endlich mal zeit
miteinander zu reden
vielleicht ist es manchmal besser wenn
man sich eben aus dem weg gehen kann was
man im moment nicht kann ich bin gegen
eine überdramatisierung aber noch mehr
gegen eine romantisierung der jetzigen
in der früh hätten sie gesagt
auf wiedersehen heute sagen wir bleiben
sie gesund danken wir das geschäft sehr
sehr gerne
[Musik]

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